Wer kennt diese App nicht?! Zumindest unter den Campern ist sie spätestens seit Corona für jedermann ein Begriff. Doch ist sie Fluch oder Segen? Wir wollen hier einmal ein paar Überlegungen unsererseits zu diesem digitalen Helferlein teilen.
Vielleicht als kleine Einführung; die App kann jeder kostenlos im AppStore downloaden. Auf einer Karte wird der eigene Standort angezeigt und man kann in die Umgebung hineinzoomen. Direkt werden alle, in der Nähe eingetragenen, Stellplätze angezeigt. Diese Liste entsteht dadurch, dass man sich in der App auch einen Account einrichten kann. Durch diese Anmeldung können dann Plätze selbst eintragen werden. Welche öffentlich sichtbar werden.
Jeder kann diese Plätze dann jeder Zeit anfahren. In der App finden sich natürlich auch offizielle Stellplätze, wie Campingplätze oder Wohnmobilstellplätze.
Der (unserer Meinung nach) einzige Vorteil der App liegt darin, dass man sehr leicht und schnell auch am fortgeschrittenen Abend einen Platz finden kann, gerade auch offizielle Plätze.
Die Nachteile sehen wir darin, dass Freistehen immer selbstverständlicher, einfacher und ein stückweit pseudolegalisiert wird. Offiziell ist wildes Camping in Deutschland verboten. Wird man erwischt kann man allenfalls mit dem Wiederherstellen der Fahrtüchtigkeit argumentieren.
Weiterhin entstehen durch die App kleine „illegale Campingplätze“. Mehrere Camper rotten sich bspw. auf einem kleinen Wanderparkplatz zusammen. Manchmal werden sogar Tische und Stühle ausgepackt (Dies gilt als Camping! Hier kann man auch nicht mehr mit dem Wiederherstellen der Fahrtüchtigkeit argumentieren.)
Leider kommt es auch dazu, dass Hinterlassenschaften in nahegelegenen Büschen zu finden sind. Abgesehen von den häufig überfüllten Mülleimern.
Weiterhin erschließt sich uns neben dieser unschönen Umweltverschmutzung auch nicht der Sinn des Ganzen. Will man nicht „frei stehen“ um alleine zu sein? Seine Ruhe in der Natur genießen ohne andere bzw. die Natur zu stören oder zu belästigen?
Wahrscheinlich wird sich jeder an die Auswüchse dessen in Garmisch diesen Sommer erinnern, als sich die Stadt von WoMos etc. überfallen fühlte und für sie schloss.
Natürlich wird diese App und das Freistehen allgemein durch die Corona Einschränkungen stark befeuert.
Hotels, Campingplätze und andere Übernachtungsbetriebe haben geschlossen und die Urlaubsfreudigen suchen nach anderen Lösungen. Wie praktisch ist doch da, diese App.
Man braucht sich um nichts kümmern, ein Blick aufs Smartphone und schon kann man fein mit Bildchen und Beschreibung Plätze in der Nähe sichten und einen zur Anfahrt auswählen.
Freistehen für jedermann, auch ohne Wissen und Verstand.
Hinzu kommt, dass auch Kriminelle die App nutzen können. Ganz leicht können diese Punkte ausmachen an welchen sie höchstwahrscheinlich Camper finden werden. Sucht man seinen Platz selbst und kommuniziert diesen nicht öffentlich bleibt diese Gefahr weitestgehend aus.
Manchmal bekommt man auch den Eindruck, dass das Freistehen aus reinem Geiz praktiziert wird, weil man doch so ein autarkes Fahrzeug besitzt und gar kein Campingplatz oder Stellplatz braucht und so jeder Campingplatz automatisch als zu teuer angesehen wird. Wir stehen in Deutschland zu 90% auf offiziellen Plätzen.
Ok, genug gemeckert, wie, wann, warum nutzen wir die App?
Wir nutzen die App ausschließlich, wenn wir sehr spät abends einen Platz brauchen. Wenn es also schon dunkel ist bzw. so spät, dass man nicht mehr selbst zu suchen anfangen kann, Campingplätze schon geschlossen sind oder es in der Nähe keinen gibt.
Kommen wir jedoch an einen Platz auf welchem schon 2 oder mehr Camper stehen fahren wir weiter.
Ansonsten haben wir einige klare Regeln nach welchen wir Plätze zum Freistehen suchen bzw. auswählen: (Diese Regeln haben wir für Deutschland und andere Länder in denen das Wildcampen verboten ist. In der hinter letzten Taiga kann ich natürlich meinen Stuhl rausstellen aber auch hier gilt die Nettikette der Bevölkerung gegenüber!)
- Suche spätestens zwischen 16 und 17 Uhr beginnen
- Ausgetauschte gpx Dateien von Stellplätzen von Freunden checken
- nicht direkt an Straßen oder vor/auf privaten Grundstücken parken
- nicht auf einer Kuppe/Berg parken wo man von weither sichtbar ist
- wenn möglich etwas verdeckt parken (Baum, Sträucher...)
- keinen Müll oder sonstiges hinterlassen, eher noch Müll mitnehmen
- manchmal sind Schulen (am Wochenende),Turnhallen, Sportplätze, Friedhöfe eine gute Anlaufstelle
- keine Waldwege etc. mit Verbotsschildern befahren
- man kann auf Bauernhöfen nachfragen
- Restaurants gewähren häufig auf Nachfrage eine Nacht auf ihrem Parkplatz, wenn man am Abend dafür bei ihnen isst
- wenn man sich in einem Gebiet auskennt eigene Ortskenntnis nutzen oder Freunde und Bekannte fragen (KEINE fremden Leute auf der Straße daraufhin ansprechen!)
- Satellitenansicht von GoogleMaps zu Rate ziehen
- besser abseits von Städten, Dörfern stehen
- NIE auf Rastplätzen übernachten (Einbruchgefahr)
- Industriegebiete meiden (Einbruchgefahr)
- aktuellen Standort NIE öffentlich live teilen, wenn dann nur zeitverzögert (Einbruchgefahr)
- NIE Stühle, Tische o.ä. raus stellen, sich „wie ein parkendes Auto verhalten“
- Grüßen von vorbeikommenden Menschen oder auch ein kurzer Smaltalk haben sich als hilfreich erwiesen
Der Boom des Vanlifes, der Wohnmobilindustrie und der Fahrzeugreise-Szene ist deutlich. Dadurch wird sich zwangsläufig ein gewisser Wandel ergeben.
Desto größer die Szene, desto mehr schwarze Schafe. Dieser Anteil an „schwarzen Schafen“ wird vermutlich Privatleute sowie Behörden dazu zwingen zu handeln. Mehr Plätze mit einem generellen
Parkverbot zu versehen, Privatgrund strikter abzuriegeln oder auch Bußgelder zu erhöhen. Es bleibt also spannend!
Und wer Platz hat macht vielleicht einfach einen Campingplatz auf?!
Oder bietet auf seinem Grundstück Durchreisenden für einen Nacht ein Quartier?!